David Friedrich Strauß          Im Walde

1808 – 1874

Der Frühling hat die jungen Lebensfluten

Von neuem durch die alte Welt ergossen;

Der Wald erwacht, die muntern Buchen sprossen,

Kuckuck, der Schalk, hört nimmer auf zu tuten.

 

Doch mitten unter all den Wohlgemuten

Zeigt sich die Eiche düster und verdrossen,

Die Knospen hält sie streng noch eingeschlossen,

Hegt noch das braune Laub an dürren Ruten.

 

Der eigensinnige Baum mit seinen Knorren! –

Je nun, er ist der deutsche Baum, so dächt ich;

Laßt mir den deutschen Eichbaum unverworren.

 

Was dauern soll, kommt selten übernächtig;

Wenn längst die frühen Nachbarbäume dorren,

Steht Deutschland noch, die Eiche, grün und mächtig.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

David Friedrich Strauß          Gluck

1808 – 1874

Oft treibt es mich an hellen Wintertagen

An deinem eh’rnen Bild vorbeizugehen,

Dir in das strenge Angesicht zu sehen,

Und jedesmal mit innigem Behagen.

 

Wüßt’ einer nichts von dir, doch müßt er sagen:

Das war ein Geist von frischem, scharfem Wehen,

Dem konnten keine Nebel wderstehen,

Und Wolken wußt’ er in die Flucht zu jagen.

 

Ja, Wahrheit gabst du wieder deiner Kunst,

Verschmähtest leerer Töne süßen Tand,

Auf die Gefahr, der Menge zu mißfallen:

 

Lessing der Oper; die durch Göttergunst

Bald auch in Mozart ihren Goethe fand:

Der Größte nicht doch ehrenwert vor allen.

 

 

 

 

 

 

 

David Friedrich Strauß          Die Entführung aus dem Serail

1808 – 1874

Das lust’ge Stück im Sinnbild nachzuahmen,

Möcht ich mit dieser Feder zeichnen können:

Dann setzt’ ich einen Bären, leicht zu nennen,

Geneckt von Liebesgöttern, in den Rahmen.

 

Erst tanzt der Bär, gleich einem jener zahmen,

Nach einer Pfeife, die wir alle kennen;

Dann sehn wir toll ihn hin und wider rennen,

Dem Amors Bienenstiche schlecht bekamen.

 

„Doch wie? du sprichst nur immer von dem Bengel;

Soll nichts des treusten Paares Liebe gelten?

Das Herz nicht gelten, das so feurig klopfet?“

 

Gewiß, ich fühl’s: sie singen wie die Engel;

Doch über alles geht mir – mögt ihr schelten –

Der alte Türk’ – und nun sogar bezopfet.

 

 

 

 

 

David Friedrich Strauß          Profess

1808 – 1874

Auf, zu des Daseins Gipfeln kühn hinan!

Wozu im Qualm der Niederungen zagen?

Versuch’s, wie hoch dich deine Flügel tragen,

Mein Geist, und mache dir durch Wolken Bahn.

 

Wie? Hob mich zum Olymp ein luft’ger Kahn?

Welch goldne Lichter seh’ ich um mich tagen,

Und welch ein nie empfundenes Behagen

Dringt, wie ein Aetherstrom, auf mich heran?

 

Schon reisst ein sel’ger Uebermut mich fort;

Hintanz’ ich unter Göttinnen gereiht,

Vom Festgesang des Musenchors begeistert.

 

Titanen seh’ ich in den Tiefen dort,

Dumpf murren sie und drohen neuen Streit:

Ein Wink von Zeus – und alles ist bemeistert.